Archaische Honigernte in Nordmazedonien

Die Bienen auf der Teufelsmauer: Imker und Autor Johannes Gruber berichtet über eine aussergewöhnliche Tradition auf dem Balkan.

In Nordmazedonien wird bis zum heutigen Tag eine faszinierende Art der Imkerei oder besser gesagt der Honigjagd betrieben, deren Ursprung bis weit in die Vergangenheit zurückreichen dürfte. In einer etwa 500 Meter langen und 12 Meter hohen Sandsteinmauer, die vor langer Zeit vermutlich durch Bodenerosion entstanden ist, sind von Imkern hunderte Hohlräume - auf Mazedonisch brtve genannt - geschaffen und wieder mit einer Steinplatte zugemauert worden. Nur ein kleines Flugloch wurde freigelassen.

Alljährlich im Frühling wiederholt sich ein Naturschauspiel: Dutzende Bienenschwärme ziehen in die Hohlräume dieser Mauer, die von den Einheimischen Davoljeg Zida - Teufelsmauer - genannt wird. Woher die Schwärme kommen ist ein Rätsel. Das Gelände ist äußerst unzugänglich, der nächste Ort Bogoslovec etwa 10 km Luftlinie entfernt. Es gibt keine Bienenstände und nur wenig Futter für die Bienen an diesem Ort. Die unmittelbar an der Teufelsmauer vorbeifließende Bregalnica versorgt die Bienen mit Wasser. Sobald die Schwärme eingezogen sind, entnehmen die Imker die Steinplatte, ernten den Honig und bringen die Wildbienen in vorbereiteten Transportkisten zu ihren Bienenständen.

Marjan Arsov, Agrarökonom und Imker aus Probištip in Nordmazedonien hat im Jahr 2015 einen Artikel mit dem Titel “Bienen auf der Teufelsmauer” für ein mazedonisches Bienenjournal  geschrieben, der jene äußerst ungewöhnliche Art der Imkerei beschreibt, die auch in der Anfangsszene des Dokumentarfilms Honeyland gezeigt wird. 

Abbildung: Die Ernte des Honigs in einer Höhle der Teufelsmauer; Foto: Marjan Arsov

Über den Autor:

Johannes Gruber ist Wanderimker und lebt im oststeirischen Buch-St. Magdalena.

Kontakt: johannes.gruber2@aon.at

Buchveröffentlichungen:

Die Reise des Wanderimkers, Löwenzahn-Verlag, 2017

Honig der Alpen, AT-Verlag, 2021

Die Honige des Balkans, in Arbeit